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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.03.2004
Aktenzeichen: 12 UZ 3005/03
Rechtsgebiete: AsylVfG, AuslG, Gesetz über den Bundesgrenzschutz


Vorschriften:

AsylVfG § 11
AsylVfG § 74 Abs. 1
AsylVfG § 75
AsylVfG § 76 Abs. 1
AsylVfG § 77 Abs. 1
AsylVfG § 78 Abs. 1
AsylVfG § 80
AuslG § 70 Abs. 4
Gesetz über den Bundesgrenzschutz § 40 Abs. 1
1. Bei dem Streit um die Anordnung des persönlichen Erscheinens bei einer Auslandsvertretung handelt es sich, wenn sie sich gegen einen Asylbewerber während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss richtet, um ein Asylstreitverfahren im Sinne der §§ 11, 74 Abs. 1, 75, 76 Abs. 1, 77 Abs. 1, 78 Abs. 1 und 80 AsylVfG.

2. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens bei einer Auslandsvertretung zur "Vorsprache zwecks Passbeschaffung" ist für den angestrebten Zweck untauglich und daher unverhältnismäßig und rechtswidrig.

3. Für die Vorführung eines Ausländers bei einer Auslandsvertretung kann je nach der erforderlichen Zeitdauer eine richterliche Entscheidung erforderlich sein.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

12 UZ 3005/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Prof. Dr. Renner, Richterin am Hess. VGH Thürmer, Richter am Hess. VGH Dr. Dieterich

am 5. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 21. Juli 2003 wird abgelehnt.

Der Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen; Gerichtskosten werden jedoch nicht erhoben.

Gründe:

Der Antrag ist zulässig (§ 124a Abs. 1 VwGO), aber nicht begründet; denn mit ihm ist ein Grund, der gemäß § 124 Abs. 2 VwGO die Zulassung der Berufung rechtfertigen kann, nicht dargetan.

1. Der Zulässigkeit des von dem Beklagten gestellten Zulassungsantrags steht nicht entgegen, dass es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit, wie unten noch näher auszuführen sein wird, um eine Rechtsstreitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz im Sinne von § 78 Abs. 1 AsylVfG handelt und die Berufung deshalb nicht aufgrund der Tatbestände des § 124 Abs. 2 VwGO, sondern nur nach Maßgabe des Katalogs des § 78 Abs. 3 AsylVfG zugelassen werden kann. Soweit nämlich der Beklagte die unrichtige Besetzung der Richterbank rügt und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, kann die Berufung entweder nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 3 VwGO oder aber nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 1 VwGO und nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zugelassen werden. Soweit der Beklagte darüber hinaus geltend macht, die Berufung sei wegen einer besonderen rechtlichen Schwierigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, ist der Zulassungsantrag sowohl nach § 78 Abs. 3 AsylVfG als auch nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO unzulässig; denn dieser Zulassungsgrund ist für Asylstreitverfahren nach § 78 Abs. 3 AsylVfG nicht statthaft und hätte im Übrigen nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO im Einzelnen begründet werden müssen. Hierzu genügt der Hinweis des Beklagten darauf, dass die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen in einem Kammertermin entschieden und die Sache nicht dem Einzelrichter überwiesen hat, nicht. Zwar unterstellt der Beklagte in diesem Zusammenhang zu Recht den Charakter des Verfahrens als Asylrechtsstreitigkeit, beschränkt sich aber im Übrigen auf die nicht näher begründete Behauptung, die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen habe das Verfahren als besonders schwierig klassifiziert. Dieser Ansicht kann nicht ohne weiteres gefolgt werden, weil die Kammer von einer Überweisung an den Einzelrichter nach § 76 Abs. 1 AsylVfG auch deshalb abgesehen haben kann, weil die Rechtssache ihrer Ansicht nach grundsätzliche Bedeutung hatte.

2a) Entgegen der Darstellung des Beklagten war die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen zur Entscheidung berufen, weil diese nach dem Beschluss des Präsidiums des Verwaltungsgerichts Gießen vom 27. Juni 2003 (4. Änderung des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2003) unter anderem auch für "ausländerbehördliche Anordnungen nach § 70 Abs. 4 Satz 1 AuslG an abgelehnte Asylbewerber in Vollzug der Abschiebungsandrohung des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge" zuständig war. Diese unter IV Abs. 5 Satz 4 enthaltene Verteilungsregelung erklärt nämlich für diese Art von Streitigkeiten die jeweilige Asylkammer für zuständig, und die 10. Kammer ist unter anderem für Asylverfahren für türkische Staatsangehörige mit dem Anfangsbuchstaben "T" des Zunamens zuständig. Soweit der Beklagte die Änderung des Geschäftsverteilungsplans durch Beschluss des Präsidiums vom 27. Juni 2003 mit der Begründung rügt, es sei nicht ersichtlich, dass diese Änderung wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig war (§ 4 VwGO i.V.m. § 21e Abs. 3 GVG), genügt dies nicht für eine ordnungsgemäße Besetzungsrüge. Wie sich dem Präsidiumsbeschluss vom 27. Juni 2003 entnehmen lässt, wurde der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts mit Wirkung vom 1. Juli 2003 der 6. Kammer als Vorsitzender und ein Richter mit einem Zehntel seiner Arbeitskraft an die 10. Kammer zugewiesen und außerdem die § 70 Abs. 4 Satz 1 AuslG betreffende Klausel eingefügt. Hieraus lässt sich eindeutig entnehmen, dass diese Ergänzung der Klärung einer unvorhergesehenen Zuständigkeitsfrage diente, um sicherzustellen, dass Verfahren der vorliegenden Art eindeutig in die Zuständigkeit einer bestimmten Kammer fallen. Diese Regelung erweist sich im Übrigen auch deshalb als sachgemäß, weil damit nicht die Rechtsfrage entschieden ist, ob es sich bei diesen Verfahren um Streitigkeiten nach dem AsylVfG im Sinne des Prozessrechts (z.B. nach §§ 78 Abs. 1, 80 AsylVfG) handelt oder um ausländerrechtliche Streitigkeiten.

b) Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt der Rechtssache die ihr mit dem Zulassungsantrag beigelegte grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtsstreitigkeit - ebenso wie nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG (dazu BVerwG, 31.07.1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70,24 = EZAR 633 Nr. 9; Hess. VGH, 27.12.1982 - X TE 29/82 -, EZAR 633 Nr. 4 = NVwZ 1983, 237) - nur dann, wenn sie eine rechtliche oder eine tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer Klärung bedarf (Hess. VGH, 21.08.1997 - 12 UZ 2259/97 -, EZAR 277 Nr. 8 = NJW 1998, 472; VGH Baden-Württemberg, 12.05.1997 - A 12 S 580/97 -, NVwZ 1998, 305). Die Rechts- oder Tatsachenfrage muss allgemein klärungsbedürftig sein und nach Zulassung der Berufung anhand des zugrundeliegenden Falls mittels verallgemeinerungsfähiger Aussagen geklärt werden können (Hess. VGH, 30.05.1997 - 12 UZ 4900/96.A -, EZAR 633 Nr. 30 = FamRZ 1999, 1267).

Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es zur Klärung der Frage, ob es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz im prozessrechtlichen Sinne oder um eine ausländerrechtliche Streitigkeit handelt, nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Die Lösung dieser Streitfrage ergibt sich nämlich nach Auffassung des beschließenden Senats aus einer Gesamtschau der Prozessregeln des Asylverfahrens und ist für zahlreiche Verfahrensarten in der ständigen Rechtsprechung des Senats hinreichend geklärt.

Im Rahmen von Beschwerdeverfahren hat der Senat auf der Grundlage des für den Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylVfG maßgeblichen Begriffs der "Rechtsstreitigkeit nach diesem Gesetz" ausgeführt: Zu den Verfahren, in denen nach § 80 AsylVfG die Beschwerde ausgeschlossen ist, gehören auch alle selbständigen und unselbständigen Nebenverfahren (GK-AsylVfG, § 80 Rdnr. 8; Hailbronner, AuslR, § 80 AsylVfG Rdnr. 17; Renner, AuslR, 7. Aufl., 1999, § 80 AsylVfG Rdnr. 2; Marx, AsylVfG, 4. Aufl., 1999, § 80 Rdnr. 2 f.), insbesondere über Einstellung des Verfahrens (Hess. VGH, 19.12.1994 - 13 TE 2916/94 -), Prozesskostenhilfe (Hess. VGH, 17.11.1992; OVG Nordrhein-Westfalen, 07.09.1992 - 21 E 995/92.A -; Thür. OVG, 07.01.1999 - 3 SO 970/98 -, ThürVBl. 1999, 209), Streitwert und Gegenstandswert (OVG Hamburg, 11.03.1999 - 4 SO 15/99.A -; Hess. VGH, 29.12.1992 - 12 TE 2394/92 -), Vergütung des Rechtsanwalts (Hess. VGH, 08.11.1999 - 6 TJ 2850/99.A -), Rücknahme des Antrags auf Abschiebehaft (Hess. VGH, 15.06.1994 - 12 TG 1734/94 -), Richterablehnung (BVerwG, 24.02.2000 - 9 B 74.00 -; Bay. VGH, 10.12.1992 - 11 C 92.33203 -, EZAR 630 Nr. 30; OVG Hamburg, 21.01.1993 - Bs VII 19/93 -; Hess. VGH, 06.03.1995 - 12 TE 658/95 -; Hess. VGH, 26.07.1993 - 12 TE 1750/93 -; OVG Nordrhein-Westfalen, 11.10.1999 - 23 A 3296/99.A und 22.12.1992 - 13 E 1467/92.A -), Urteilsberichtigung (BayVGH, 09.09.1998 - 19 C 98.32153 -, BayVBl. 1999, 87) und Aufhebung eines Verhandlungstermins (Hess. VGH, 06.03.1995 - 12 TE 652/95 -). Soweit es sich um die Vollstreckung asylverfahrensrechtlicher Abschiebungsandrohungen und um Einwendungen hiergegen handelt, ist es unerheblich, ob das Begehren des Ausländers im Ausländerrecht begründet ist; entscheidend ist vielmehr der notwendige und enge Zusammenhang mit dem asylrechtlichen (Grund-)Verfahren und dem asylverfahrensrechtlichen Teil des Vollstreckungsverfahrens (VGH Baden-Württemberg, 26.01.1998 - A 12 S 3522/97 -, VBlBW 1998, 317; VGH Baden-Württemberg, 01.10.1998 - 6 S 2334/98 -, VBlBW 1999, 106; VGH Baden-Württemberg, 06.08.1998 - 3 S 842/98 -, VBlBW 1999, 109; OVG Hamburg, 11.03.1999 - 4 Bs 166/99 -; OVG Hamburg, 05.03.1998 - Bs IV 177/97 -, NVwZ-Beil. 1998, 96; Hess. VGH, 03.02.1999 - 3 TZ 4241/98 -; Hess. VGH, 11.12.1997 - 12 TZ 4109/97 -, EZAR 630 Nr. 35 = NVwZ-Beil. 1998, 46 = DÖV 1998, 391; Hess. VGH 20.01.1998 - 13 TZ 3765/97 -, NVwZ-Beil. 1998, 45; Hess. VGH 05.02.1998 - 7 TG 336/98.A -; Hess. VGH, 22.04.1998 - 6 TZ 1496/98.A -; OVG Rheinland-Pfalz, 29.04.1998 - 10656/98 -, NVwZ-Beil. 1998, 87). Der gegenteiligen Auffassung des BVerwG (betr. Duldung: BVerwG, 25.09.1997 - 1 C 3.97 -, EZAR 045 Nr. 7 = NVwZ 1998, 297; a. A. betr. Aufenthaltsbefugnis BVerwG, 25.09.1997 - 1 C 6.97 -, EZAR 620 Nr. 8 = NVwZ 1998, 299; dazu Anm. Renner, NJ 1998, 160 u. 161) und anderer Berufungsgerichte (z. B. Thür. OVG, 14.11.1997 - 3 ZEO 1229/97 -, EZAR 622 Nr. 30; VGH Baden-Württemberg, 06.12.1999 - 13 S 514/99 -, EZAR 043 Nr. 43 = NVwZ 2000, 589 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, 14.08.1998 - 9 S 1552/98 -, NVwZ 1999, 792 = DVBl. 1999, 180 = VBlBW 1999, 33 m.w.N.; OVG Brandenburg, 17.03.1998 - 4 B 28/98 -, NVwZ-Beil. 1998, 75; OVG Mecklenburg-Vorpommern, 26.01.1998 - 3 M 111/97 -; OVG Nordrhein-Westfalen, 21.09.1998 -17 B 402/98 -; Sächs. OVG, 14.10.1998 - 3 S 526/98 -, DÖV 1999, 610; OVG Saarland, 26.11.1998 - 1 V 25/98 - und 22.10.1998 - 1 V 26/98 -) vermag der Senat auch nach erneuter Überprüfung nicht zu folgen (ebenso Marx, a.a.O., § 80 AsylVfG 6 f.; nach einer Klärung verlangend Hailbronner, a.a.O., § 80 AsylVfG Rdnr. 8 ff.) Angesichts des Gesetzeswortlauts und der Entstehungsgeschichte erscheint es dem Senat sicher, dass eine andere als die von ihm gewählte weite Auslegung dem vom Gesetzgeber in den Vordergrund gestellten Beschleunigungszweck zuwiderläuft (a.A. aufgrund einer reinen Wortauslegung König, NVwZ 2000, 268).

Diese Ausführungen gelten auch für die Vorschriften der §§ 11, 74 Abs. 1, 75, 76 Abs. 1, 77 Abs. 1 und 78 Abs. 1 AsylVfG sowie für die hier streitbefangene Androhung der Ausländerbehörde, die Kläger zwangsweise durch die Vollzugspolizei bei der Botschaft vorzuführen. Dementsprechend ist in dem ausländerbehördlichen Bescheid auf den Ausschluss des Widerspruchs und des Suspensiveffekts nach §§ 11, 75 AsylVfG hingewiesen und hat auch das Verwaltungsgericht das Verfahren beim Eingang unter Nr. 446 (Asylrecht) registriert. Dabei kommt es hier nicht darauf an, dass die vom Verwaltungsgericht als erledigt angesehenen Aufforderungen zur Vorsprache zwecks Ausstellung eines gültigen Passersatzpapiers "bei der Konsularabteilung des türkischen Generalkonsulats" in B-Stadt erfolgten (so auch S. 3 oben des Bescheids) und die Androhung dahin formuliert ist, dass ein neuer Vorsprachetermin mit dem Generalkonsulat vereinbart wird (S. 2 oben des Bescheids) und dann eine zwangsweise Vorführung "bei der Botschaft" (S. 2 oben, S. 3 unten des Bescheids) erfolgt; denn für die Klassifizierung als Asylverfahrensstreit kommt es nicht darauf an, ob die Vorführung zur Vorsprache beim Generalkonsulat in B-Stadt oder bei der Botschaft in Berlin erfolgen sollte. Maßgeblich für die Charakterisierung von Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz ist wie bei den anderen in der Rechtsprechung des Senats bereits behandelten Nebenverfahren allein, dass die asylverfahrensrechtlich begründete Ausreiseverpflichtung der Kläger durch die Vorführungsandrohung der Ausländerbehörde beschleunigt vollzogen werden soll und diesem gesetzgeberischen Willen am besten durch die Anwendung der Regeln des Asylverfahrensgesetzes über das Gerichtsverfahren Genüge getan wird. Durchgreifende Bedenken gegen diese Auslegung sind weder in der Zulassungsschrift noch von der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen genannt noch sonst bekannt geworden. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht nicht erklärt, warum es das Verfahren zunächst als asylrechtliches und dann als ausländerrechtliches behandelt und gleichwohl ein Widerspruchsverfahren als unnötig angesehen hat.

Soweit sich der Beklagte in Zusammenhang mit der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache auch auf die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 27. Dezember 2000 - 11 S 1592/00 - (EZAR 060 Nr. 7 = NVwZ-Beil. 2001, 87) bezieht und die Aufhebung der Vorführungsandrohung durch das Verwaltungsgericht beanstandet, ist nicht ausreichend dargetan, welche konkreten Rechtsfragen aus welchen Gründen insoweit in einem Berufungsverfahren der Klärung bedürfen. Ungeachtet dessen ist nicht zu erwarten, dass im vorliegenden Fall in einem Berufungsverfahren verallgemeinerungsfähige Aussagen zur Frage der Mitwirkung bei der Beschaffung von Passersatzpapieren und der Androhung der Vorführung bei einer Auslandsvertretung getroffen werden können.

In dem erwähnten Urteil vom 27. September 2000 hat der VGH Baden-Württemberg ausgeführt, dass die Ausländerbehörde einer Aufforderung zur Ausfüllung und Vorlage eines Antrags auf Ausstellung eines Passes gegenüber einem noch bleibeberechtigten Asylbewerber auf die Vorschriften des § 15 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG stützen dürfe, weil es sich dabei um eine verwaltungsbehördliche Konkretisierung der einem Asylbewerber auferlegten Mitwirkungspflichten handele. Da die Ausländerbehörde des Beklagten die Aufforderung an die Kläger zur Vorsprache bei dem türkischen Generalkonsulat in B-Stadt zwecks Ausstellung eines gültigen Passersatzpapieres auf § 70 Abs. 4 AuslG und § 15 Abs. 2 Nr. 3 und 6 AsylVfG gestützt hat und die Kläger die insoweit vorgenommene Klageabweisung nicht mit einem Zulassungsantrag angegriffen haben, ist eine Klärung in einem Berufungsverfahren insoweit ausgeschlossen. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass sich die so formulierte Aufforderung als untauglich und damit als unverhältnismäßig erweist, weil den Klägern nicht aufgegeben worden ist, vor einer Vorsprache zunächst einmal die sonst erforderlichen Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, wie zum Beispiel schriftlicher Antrag auf Ausstellung eines Passes oder Passersatzes und Vorlage geeigneter Unterlagen (so auch Hess. VGH, 16.08.2000 - 9 TG 2206/00 -, EZAR 060 Nr. 6 = HessVGRspr. 2002, 1 = AuAS 2000, 247). Mit einer Vorsprache zwecks Passbeschaffung ist dem öffentlichen Interesse daran, dass die Kläger Pässe oder Passersatzpapiere erhalten, nicht gedient. Gespräche ohne konkrete Handlungspflichten sind für den angestrebten Zweck untauglich. Ebenso ungeeignet wäre eine entsprechende Vorführung.

Soweit es die hier allein streitbefangene Androhung der Vorführung der Kläger bei einer türkischen Auslandsvertretung angeht, hat der Beklagte eine klärungsbedürftige Grundsatzfrage nicht formuliert, sondern sich auf die Beanstandung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts beschränkt. Daher ist dem Senat insoweit eine Überprüfung verwehrt. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass nach § 70 Abs. 4 Satz 1 AuslG das persönliche Erscheinen des Ausländers bei der zuständigen Behörde sowie den Vertretungen des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, angeordnet werden kann, soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz, also dem Ausländergesetz, und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist. Mit ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen ist in erster Linie das Asylverfahrensgesetz gemeint. Schließlich ist das persönliche Erscheinen bei der zuständigen Auslandsvertretung nicht bei den Mitwirkungspflichten genannt, zu denen nach § 15 Abs. 2 AsylVfG der Asylbewerber "insbesondere verpflichtet" ist. Außerdem ist die Rechtsgrundlage des § 70 Abs. 4 AuslG auch in der ausländerbehördlichen Verfügung vom 24. März 2003 an erster Stelle neben § 15 Abs. 2 Nr. 3 und 6 AsylVfG aufgeführt.

Darüber hinaus ist zu der Entscheidung des Verwaltungsgerichts anzumerken, dass für die Durchsetzung der Verpflichtung zur Vorsprache bei der zuständigen Auslandsvertretung unverzüglich eine richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen ist (§ 70 Abs. 4 Satz 3 AuslG i. V. m. § 40 Abs. 1 des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz), falls mit der Vorführung bei der Botschaft eine Freiheitsentziehung verbunden ist, die eine richterliche Entscheidung erfordert (vgl. dazu etwa Bayerisches Oberstes Landesgericht, 11.04.2001 - 3 ZBR 1/01 -, EZAR 605 Nr. 1 = BayObLGZ 2001 Nr. 21). Hierfür könnte vor allen Dingen sprechen, dass in dem angegriffenen ausländerbehördlichen Bescheid von einer Vorführung "bei der Botschaft" die Rede ist und die Vorführung bei der türkischen Botschaft in Berlin jedenfalls einen längeren Zeitraum beansprucht.

Die Entscheidung über die Kosten des Antragsverfahrens beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO i.V.m. § 100 ZPO und § 83b Abs. 1 AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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